Das erste Mal auf der Rennstrecke.
Erstes Mal auf einer Rennstrecke
Ich bin nicht naiv. Ich weiß dass Markus und die Technik der S1000RR meine Fahrt auf der Rennstrecke ermöglicht haben. Markus hat die Ideallinie vorgegeben und seine Bremslichter waren mein Bremssignal. Die S1000RR kontrollierte den rutschigen Asphalt und fuhr mit dem 5. Gang, ohne ein Zögern, während die Geschwindigkeit zu- und abnahm. Eine unbegrenzte Leistung, aber progressiv und linear. Eine Slow-Motion Explosion mit kontrollierter Leistungsentfaltung. Mein Körper umarmte perfekt die schmale Silhouette der Maschine. Die Bremsen selbst waren sehr stark, doch sehr gut dosierbar. Ich wünschte, ich hätte mehr Erfahrung um mehr zu experimentieren, die perfekte Position zu finden und um mehr Gefühl für die Kurven zu bekommen. Ich habe die Strecke, Runde für Runde entdeckt. Ich war in einer Art Meditationsmodus, versenkt im Auspuffgeräusch und von Regen gesegnet. Unser erstes Date war viel zu kurz und ich wusste, dass die Maschine noch viel mehr kann. Ich denke an mein Fahrkönnen und bin für meine Fahrt dankbar. Ich weiß, dass Fahrer früher mehr Risiken eingehen und viel härter trainieren mussten, bevor sie daran denken konnten so ein Erfahrung zu haben.
Es ist fünf Uhr morgens und ich kann nicht mehr schlafen. Ich denke an das Motorrad und den Automotodrom Brno. Von links nach rechts im Bett wälzend, versuche ich mir das OnBoard Video von Valentino Rossi beim Moto GP Rennen von Brünn, in Erinnerung zu rufen.
Die Dunkelheit der Nacht hielt mich nicht ab, auf meiner virtuellen Maschine zu tanzen. Mein Gehirn ist wach und in einer Stunde geht es los.
Erster Instinkt: die Vorhänge aufmachen und schauen wie das Wetter ist. Sie sagten es würde regnen und sie hatten recht. Die Wolken schauen wie dicke Ballone aus, die ihre Luft nicht mehr anhalten können. Regentropfen fallen von überall auf den Asphalt und gegen meine Fensterscheibe. Für viele Fahrer, die kein Risiko auf der Piste eingehen möchten, wird diese Regentropfen-Musik sie am Weg nach Hause begleiten. Für mich ist es das Geräusch des Beginns. Vor vier Jahren machte ich meinen Motorrad Führerschein unter strömenden Regen in Nordfrankreich und meine Reifen schwammen regelrecht. Ich erinnere mich noch was der Prüfer damals sagte: „Wenn du es heute schaffst, wirst du es immer schaffen“. Und ich lächle.
Mein Magen will das Wort „Frühstück“ nicht hören. Ich sehe die ersten Fahrer, die den Himmel verzweifelnd beobachten und ihre Körper mit Koffein tanken. Zurück auf dem Zimmer, ist es Zeit vier, fünf Schichten unter dem Leder anzuziehen und auf die Piste zu gehen. Vor dem Hotel tausche ich mich schnell mit einem anderen Fahrer aus. Er packt zusammen und fährt nachhause. Sein Motorrad hat nur Slicks. Zu gefährlich, aber gestern war perfektes Wetter und eine tolle Erfahrung, sagte er.
Ich sehe das Fahrerlager. Ein riesiger gelber Helm auf der rechten Seite, ein grüner Turm und ein Gebäude mit vielen Fenstern auf der linken. Motorräder verstecken sich unter großen Zelten zwischen Autos und Anhänger. Leute versammeln sich vor der Box 24, für die Anmeldung und ich treffe das BMW Team. Christoph Slawik, der Marketing Manager von BMW Österreich, begrüßt mich. Sechs oder sieben BMW S1000RR warten leise. Eine stolze und stille Reihe von Löwen. Die vollständig aus Carbon gefertigte HP4 Race, ist auch hier. Das Meeting beginnt. Aufgrund der Wetterbedingungen wird der Zeitplan leicht geändert. Die Gruppen A und B werden 40 Minuten fahren, gefolgt von den Gruppen C und D. Nur Regen- oder Straßenreifen sind erlaubt. Um 9 Uhr sollten die ersten Gruppen bereit sein. Mit einer Applauswelle startet nur ein Fahrer. Die Reifen spritzen Wasser, die Maschine brüllt und verschwindet in der ersten Rechtskurve.
Während ich auf meinen Start warte, stellt mir das BMW Team den Projekt Manager vor, der die Entwicklung der S1000RR angeführt hat, Markus Poschner. Mit Christian Gonschor, wurde mir der Verantwortliche der HP4 vorgestellt. Beide verraten mir die wirklich interessanten Geheimnisse ihrer Kreationen.
Ich komme der S1000RR näher<br>und bewundere alle Details.
Erster Eindruck: ihre Silhouette schaut anders aus, als jene ihre Vorgängerin. Sie ist schmaler und ihre Züge sind simpler und minimalistischer. Ihre Front ist symmetrisch und ihre Scheinwerfer schauen wie mit Leucht-Eyeliner gezeichnet, aus. Mit ihren 197 kg und 207 PS hat sie 11 kg verloren und 8 PS gewonnen. Alles scheint nicht nur, sondern ist neu. Der Motor ist neu entworfen, mit Titanium Ventilen ausgerüstet, schmaler und 4kg leichter. Der Flex-Aluminium Rahmen, ist aus 4 geschweißten Teilen gemacht. Natürlich gibt es einen Quickshifter. Das Bremssystem ist das Resultat einer Zusammenarbeit zwischen BMW und Hayes. Die All-in-one Lichter wurden auch speziell entwickelt und tragen zur Symmetrie ihrer Front bei.
Ich mag die Tatsache, dass die Teile speziell für eine Maschine entworfen wurden. Der Tank ist schmal und ein wunderschönes Beispiel dafür, wie der Mensch, die Grenzen der materiellen Eigenschaften und Technologien ausloten kann, um komplexe Formen zu kreieren. Die Auspuffanlage ist EU-4 und bald EU-5 zertifiziert. Markus zeigt mir auch das neue 6,5‘‘ TFT Display und all seine Möglichkeiten: vier Optionen zwischen Regen, Straße, Dynamic und Rennfahrt sind zur Verfügung. Der Pro Modus bietet eine Auswahl zwischen Race 1, 2 oder 3. Ich bewundere die fast unbegrenzten Optionen, die es erlauben das ABS, die Antriebssteuerung, Dämpfung und die Motorbremse, zu konfigurieren. Nicht zu vergessen die Carbon Felge vom M Modell der S1000RR. Ich würde mehr technisches Knowhow und Erfahrung auf der Rennstrecke benötigen, um die Funktionalität und die Anpassungsfähigkeit des Motorrades in allen Situationen zum jeweiligen Fahrerverhalten besser beschreiben und nutzen zu können. Wir reden weiter über den Kompromiss zwischen Funktion und Form, den aufkommenden Schwierigkeiten durch die weltweiten Regulierungen und die Art und Weise wie die S1000RR für verschiedene Länder entwickelt wird. Aber auch die Leute hinter dieser Maschine: ein Kernteam von 7 Personen die 4 Jahre ihres Lebens gewidmet haben, um dies möglich zu machen.
Die erste Runde ist vorüber und ich gehe zum anderen Fahrerlager, wo ich die HP4 entdecke und von Christian begrüßt werde. Zwei Worte: Carbon und Leidenschaft. Der Enthusiasmus und die Geschichte von Christian machen mich neugierig. Diejenigen, die die HP4 entwickelt haben, haben definitiv schon ein Rennen gewonnen, bevor die Maschine überhaupt auf die Rennstrecke kam. 14 Monate Entwicklung und hier ist sie. Vollcarbon-Rahmen, Vollcarbon-Räder, 146 Kilogramm und 215PS. Ich bin die Glückliche, die auf der Maschine sitzen darf und ihre Kurven bewundern kann. Aber meine S1000RR wartet schon auf mich.
Der Instruktor, Markus Lerf, wird mein Begleiter sein. Obwohl die S1000RR Testfahrten abgesagt wurden, hat das BMW Team alles Mögliche getan um mich doch auf die Strecke zu bekommen. Neue Straßenreifen, aufgewärmt und von Markus kontrolliert. Ich sollte ihm folgen, bremsen wenn er bremst und seiner Fahrspur folgen. Jetzt geht alles sehr schnell. Mein Helm ist auf, Markus sieht zu mir, um zu überprüfen ob alles ok ist. Ich drehe die Zündung und spüre die S1000RR zu Leben zu kommen. Erster und zweiter Gang. Das Team überprüft meinen QR Code auf meinem Helm und Raten mir lächelnd vorsichtig zu sein. Das Visier hinunter und ich bin davon. 20 Minuten.
Der Instruktor hebt die Hand und wir verlassen die Rennstrecke. Was ist passiert? Die 20 Minuten waren um…
Zurück auf Erden. Mein Helm ist runter, meine Regenausrüstung auch. Ich schaue auf meine S1000RR und bin noch woanders. Das Team fragt mich, ob ich noch einmal fahren möchte. Ich dachte ich habe die Frage nicht richtig verstanden. Ist das eine Frage? In 20 Minuten, bin ich wieder für 40 min auf der Strecke!
Ich schaue auf meine S1000RR und auf das Team. Denke über Maschinen und Menschen nach und es scheint keine Grenzen zu geben. Keine Grenzen der menschlichen Leidenschaft und ihrem Talent zu entwickeln. Keine Grenzen dem Motorsport und den Emotionen die er hervorruft. Und doch denke ich über Freiheit und Kontrolle nach.
Für eine Sekunde wünschte ich, die S1000RR würde ihren Fahrer finden, der all diese Kontrollen ausschalten könnte, sodass sie ihre ganze Kraft freien Lauf lassen könnte. Und doch bin ich froh, dass es diese Kontrollen gibt, weil sie mir das Unmögliche erlaubten.
Mein Visier hinunter und ich bin wieder für 40 min weg…
12 Mai<br>3 Tage nach den RRDays – Wien, Österreich
Es ist 00:52 und ich schreibe über mein erstes Mal auf einer Rennstrecke. Worte drängen sich aufs Blatt und mein Herzschlag wird schneller. Eines ist sicher…Die Rennstrecken wird mich wiedersehen.